DIAOLOU - Die Wachtürme von Kaiping
2017 China, Province Guangdong
In der südchinesischen Provinz Guangdong stehen hunderte Wohn- und Wachtürme. Sie gelten heute als Zeitzeugen der Auswanderergeschichte der Übersee-Chinesen.
Im frühen 20. Jahrhundert entstanden die meisten dieser seltsam anmutenden Türme, die ihren Ursprung in der Ming-Dynastie haben. Viele Chinesen wanderten zu dieser Zeit aus. Die Bevölkerung war explosionsartig gewachsen und vor allem im Süden Chinas konnten die vielen Menschen kaum noch ernährt werden. So landeten Tausende von Chinesen beim nordamerikanischen Eisenbahnbau, in den Zinnminen Malaysias und anderen arbeitsintensiven Industrien Asiens und Kanadas. Die Übersee-Chinesen hielten engen Kontakt zu ihrer Heimat, zumal die Situation der Daheimgebliebenen immer beschwerlicher wurde. Es zogen Banden durchs Land und auch die Warlords, lokale Herrscher, bedienten sich willkürlich bei der Bevölkerung.
In Kaiping fand man schließlich eine architektonische Lösung für die wachsenden Probleme. Mit den Überweisungen der emigrierten Männer und dem Geld der Heimkehrer wurden fortan vermehrt Wohntürme im Stil der bereits existierenden Wachtürme aus der Ming Dynastie gebaut. Es entstanden hunderte neue Diaolou. Das Entscheidene war, die Impressionen der weitgereisten Heimkehrer fanden in den neuen Gebäuden ihren Ausdruck. Während die unteren Etagen eher schmucklos waren und mit dicken Mauern, kleinen Fenstern und schweren Eisentoren räuberische Banden abhalten sollten, wurden in den wohnlichen, palastartigen Dachetagen die verschiedensten architektonischen Stilmittel verarbeitet. Neben Gotik-, Barock- und Rokoko-Stilelementen, sieht man Einflüsse des antiken griechischen, römischen und islamischen Baustils. Entstanden ist eine einzigartige Kombination aus chinesischer und westlicher Architektur. Die Kaiping Diaolou zeigen die früheste Adaption westlicher Einflüße in ländlichen Gebieten Chinas. Einige stehen seit 2007 auf der Weltkulturerbeliste der UNESCO.
Sabine Bungert und Stefan Dolfen
Diese Arbeit wurde durch die Stiftung Kulturwerk der VG Bild-Kunst gefördert